140 Béla Bartók
Béla Bartók 1881 – 1945
1881
25. März: Béla Bartók wird in Nagyszentmiklós/Ungarn als das ältere von zwei Kindern eines Direktors einer Landwirtschaftlichen Schule und einer Lehrerin, Paula Voigt, geboren. Wächst in einem zweisprachigen Haushalt auf. In der Schule lernt er ungarisch, von der Mutter deutsch.
Bartók: “Mein Vater zeigte ziemlich hohe musikalische Anlagen; er spielte Klavier, organisierte ein Dilettantenorchester, lernte Cello, um darin als Cellist mitwirken zu können, und versuchte sich sogar in Komposition von Tanzstücken.“
Eine Impfung im Alter von 3 Monaten verursacht bei ihm juckende Ausschläge auf dem ganzen Körper. Wegen seiner Krankheit spielt er nicht mit anderen Gleichaltrigen – er macht dafür Beobachtungen in der Natur, die ihn lebenslang prägen und die sich in manchen seiner Werke widerspiegeln: „Cantata profana“ und „Im Freien“. Sein Gesundheitszustand bessert sich erst im 6. Lebensjahr.
1889
Nach dem frühen Tod des Vaters übernimmt die Mutter allein die Erziehung des Kindes und gibt ihm Klavierunterricht.
Wie soll man diese außerordentliche Frau charakterisieren – als intelligent, arbeitsam, aufopfernd, lebensklug? All dies trifft zu. Sie hat frühzeitig das Geniale in ihrem Sohn erkannt; sie wusste ihm zu helfen, ohne ihm je zur Last zu fallen.
1893
Bartók schreibt aus Bistritz an seine Mutter: „Die Musikabende werden, zu unser größtes Bedauern, nicht mehr lang dauern, denn zu Ostern geht er (Schönherr) zuhause, und dann muss er oft wegreisen, da er Förster ist. Mit der Kreutzersonate sind wir schon fertig. Sie ist sehr schön, besonders gefallen uns die Variationen, mir von den besonders die 2te Variation. Jetzt lernen wir die 7te Beethoven Sonate, welche sehr schwer für mich, aber sie gefällt uns…“
Bartóks Liebe zu Beethoven, die sich hier bereits ankündigt, wird sein Leben lang anhalten. Und dreißig Jahre später werden Musikkritiker Parallelen zwischen Bartók und dem Bonner Meister ziehen.
Der Bistritzer Aufenthalt ohne die Mutter dauert nur acht Monate, bis sie endlich eine Lehrstelle in Preßburg bekommt. Ihre Familie stammt aus Preßburg, sie machte hier die Ausbildung als Lehrerin.
Siebenbürgen aber bleibt fest in Bartóks Erinnerung. Er schreibt:
„Vom ganzen ehemaligen Ungarn habe ich dieses Land sowieso am meisten geliebt.“
Er beginnt Musik- und Kompositionsunterricht in Preßburg.
Bartók: „Preßburg hatte jener Zeit unter den Provinzstädten Ungarns jedenfalls das regste Musikleben, so dass es mir möglich wurde, einerseits bei László Erkel (Sohn vom Komponisten Ferenc Erkel) bis zu meinem fünfzehnten Jahre Unterricht im Klavier und Harmonielehre zu genießen, andererseits manchen - allerdings weniger guten - Konzerte und Opernvorstellungen beizuwohnen. Auch an Gelegenheit zur Ausübung von Kammermusik fehlte es nicht, und so lernte ich bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr die Musikliteratur von Bach bis Brahms – Wagner jedoch nur bis zum Tannhäuser – verhältnismäßig gut kennen. Inzwischen komponierte ich fleißig unter dem starken Einfluss von Brahms und den Jugendwerken des um vier Jahre älteren Erno von Dohnányi, namentlich seines Opus 1.“
Seine Schulkollegen erinnern sich: „Wir, die wir damals auch das Gymnasium besuchten, erinnern uns lebhaft seiner. Jeder Gymnasiast kannte ihn. Seine Gestalt war fast gebrechlich. An seiner Kleidung war die liebevolle Sorge seiner früh verwitweten Mutter zu erkennen, die ihn ängstlich zu behüten und von allem Schlimmen fernhalten bestrebt war …Was Bartók von seinen Mitschülern unterschied und weshalb ihn niemand vergaß, der ihn auch nur einmal traf, das war sein Blick. Aus seinen Augen blitzte zeitweise eine mystische, fantastische Flamme hervor, wie der Lichtstrahl seines außerordentlichen Talentes und seiner Genialität“.
1899-1903
Nach Abschluss der schulischen Ausbildung am Gymnasium beginnt für Bartók das Studium an der Musikakademie in Budapest.
Er hat die Möglichkeit, in Wien zu studieren, wo ihm auch finanzielle Unterstützung zugesichert wurde – doch sein älterer Freund, Erno von Dohnányi holt ihn nach Budapest. Hier studiert er Klavier beim Prof.István Thomán (Liszt-Schüler) und Komposition beim Prof. János Koessler. Seine Kommilitonen in Koesslers Klasse sind Zoltán Kodály und Imre Kálmán; Kodály wird sein bester Freund und ein wunderbarer Arbeitskollege, während Kálmán einen ganz anderen musikalischen Weg einschlägt.
Obwohl Bartók Prof. Koessler später sehr lobt und seine guten Qualitäten zu schätzen weiss, fehlt ihm in dieser Zeit die Inspiration zum Komponieren.
Bartók: „Aus dieser Stagnation riss mich wie ein Blitzschlag die erste Aufführung von „Also sprach Zarathustra“ in Budapest. (1902) Das Werk erfüllte mich mit dem größten Enthusiasmus: endlich erblickte ich eine Richtung, einen neuen Weg. Ich stürzte mich auf das Studium der Strauss´schen Partituren und begann wieder zu komponieren.“
1903 Juni findet seine Abschlussprüfung an der Akademie statt. Bartók schreibt der Mutter: “Ich hatte einen glänzenden Erfolg, der Applaus war kolossal; wohl 7oder 8-mal wurde ich herausgerufen…“
Erste Konzerte folgen. Er spielt das „Heldenleben“ von Strauss in seiner eigenen Bearbeitung für Klavier in Wien, sowie die 5. Klavierkonzert von Beethoven. Von einem Konzert in Berlin berichtet der Kritiker:
„Herr Bartók ist ein Mann, der sich seine eigenen Gedanken über Gott und die Welt macht; er ist eine in sich gefestigte Persönlichkeit.
Sein Spiel hat den seelischen Unterton, ohne den jedes Spiel nur Spiel ist: und wenn es ihm gelingen sollte, seinen Ton rein äußerlich noch mannigfaltiger, farbiger zu gestalten, so könnten wir ihn in die Reihe der jungen Pianisten stellen, auf die wir unsere großen Hoffnungen setzen.“
1904
Uraufführung seiner symphonischen Dichtung „Kossuth“ in Manchester.
Zwischen 1904 und 1906 beginnt er seine Laufbahn als Konzertpianist, Es folgen Auftritte im In – und Ausland.
Das nationalistische Gedankengut erreicht auch den jungen Bartók, jedoch nicht im engen Sinn, und bei ihm ist der magyarisch-patriotischen Rausch bald verflogen. Er entwickelt sich zu einem antinationalistischen Menschen, der dabei die Liebe zum eigenen Lande nie verliert.
Eine Notiz von ihm wirkt wie sein Glaubensbekenntnis:
„Meine eigene Idee aber, deren ich – seitdem ich mich als Komponist gefunden habe – vollkommen bewusst bin, ist die Verbrüderung der Völker, eine Verbrüderung trotz allem Krieg und Hader. Dieser Idee versuche ich – soweit es meine Kräfte gestatten – in meiner Musik zu dienen; deshalb entziehe ich mich keinem Einfluss, mag er auch slowakischer, rumänischer, arabischer oder sonst irgendeiner Quelle entstammen. Nur muss die Quelle rein, frisch und gesund sein!“
Eine Quelle im Gebiet von St. Radegund Steiermark wurde übrigens nach Béla Bartók benannt.
1905
Die Komposition „Rhapsodie für Klavier und Orchester“ ist das erste Werk Bartóks, das veröffentlicht wird. Seine früheren Werke sind noch vom ungarischen Nationalismus geprägt.
In diesem Jahr nimmt er teil am Rubinstein Klavier- und Komposition Wettbewerb in Paris.
Bartók an seine Mutter: „Leider muss ich dir mitteilen, dass ich im Wettbewerb keinen Erfolg hatte. Dass ich den Klavierpreis nicht bekam, ist nicht ungewöhnlich und bedrückt mich nicht, aber die Art und Weise, wie der Kompositionspreis verteilt wurde, ist geradezu empörend. Der Klavierpreis ging an Backhaus… Für den Kompositionspreis gab es nur fünf Bewerber… Es waren keine Preise ausgeteilt, nur Ehrendiplomen. Ich werde mein (un)Ehrendiplom an Auer (St. Petersburg) zurückschicken, sobald ich es erhalte. Solche stupide „Ehrungen“ nehme ich nicht an.“
Bartók ist ein bescheidener Mensch, jedoch ist er sich des Wertes seiner Musik bewusst und verlangt die Anerkennung seines Talentes auch von den anderen.
Erste Begegnungen mit der Volksmusik wirken für ihn wie eine Offenbarung. Er setzt sich des Weiteren für die Anerkennung des ungarischen Bauernliedes als eigenständige Volkskunst ein und grenzt sie gegenüber der städtischen Musik ab.
Die Bauernmusik – sowohl die ungarische als auch die der umliegenden Länder - bestimmt sein weiteres Schaffen und wird seine wichtigste Inspirationsquelle.
Bartók schreibt: „Das Studium all dieser Bauernmusik war deshalb von entscheidender Bedeutung für mich, weil sie mich auf die Möglichkeit einer vollständigen Emanzipation von der Alleinherrschaft des bisherigen Dur-Moll-System brachte. Denn der weitaus überwiegende und gerade wertvolle Teil des Melodienschatzes ist in den alten Kirchentonarten, respektive in altgriechischen und gewissen noch primitiveren (namentlich pentatonischen) Tonarten gehalten und zeigt außerdem mannigfaltigste und freieste rhythmische Gebilde und Taktwechsel sowohl im Rubato - als auch im Tempo giusto - Vortrag. Es erwies sich, daß die alten, in unserer Kunstmusik nicht mehr gebrauchten Tonleiter ihre Lebensfähigkeit durchaus nicht verloren haben. Die Anwendung derselben ermöglichte auch neuartige harmonische Kombinationen. Diese Behandlung der diatonischen Tonreihe führte zur Befreiung der erstarrten Dur-Moll-Skala und, als letzte Konsequenz, zur vollkommen freien Verfügung über jeden einzelnen Ton unseres chromatischen Zwölftonsystems.“
1908-1909
Komposition seines ersten Streichquartetts.
Er wird bekannt im europäischen Musikleben als Pianist und konzertiert von Russland bis Spanien, England Holland, Norwegen, später auch in den USA. Berufung zum Professor für Klavier an der Musikakademie in Budapest, welche Position Bartók bis zum 1934 behält.
Er veröffentlicht eine Sammlung von Klavierstücken nach ungarischen und slowakischen Kinder- und Volksliedern mit dem Titel:
„Für Kinder“. Er pflegt weiterhin enge Freundschaft mit Zoltán Kodály, sie reisen oft zusammen in ländliche Gebiete der Monarchie, um Volkslieder zu sammeln.
Bartók schreibt: „Volkslieder zu verwenden, ist eine der schwierigsten Aufgaben, ebenso schwierig, wenn nicht noch schwieriger, als ein größeres eigenes Werk zu schreiben. Manche meinen, um Nationalmusik aufblühen zu lassen, brauchte man sich nur in Volksmusik zu versenken und ihr Motivmaterial in bestimmte Formen zu gießen. Auch diese Meinung ist in einer missverstandenen Anschauung begründet; sie überbetont die Bedeutung der Themen an sich und vergisst darüber, dass allein die Kunst der Formgebung aus dem Themen-Rohstoff etwas machen kann. In solcher Verquickung erst zeigt sich ja das eigentlich Schöpferische eines Komponisten.“
1909
Nach der Auflösung der Verbindung mit der Geigerin Stefi Geyer heiratet er Márta Ziegler: Sohn Béla kam zu Welt.
Die Ehe wird 1923 geschieden.
1911
„Mein Reich ist das der Dissonanzen.“
Er findet nach und nach zu seiner unverwechselbaren, radikalen Tonsprache.
Komposition des Klavierstückes „Allegro Barbaro“ und der Oper „Herzog Blaubarts Burg“.
1913
Reise nach Nord-Afrika und in die Oase von Biskra, zum Studium arabischer Musik.
1914-1919
Komposition des Balletts „Der holzgeschnitzte Prinz“. (1917)
Bis zum Ende der 1. Weltkriegs hat er cca. 300 Dörfer besucht und dort cca. 10 000 Lieder aufgezeichnet. Durch die neuen Staatsgrenzen wird diese Arbeit sehr beschränkt. Ein Lichtblick in düsteren Zeiten: Er bekommt einen Auftrag von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, seine Sammlung systematisch zu bearbeiten.
1923
Erster großer Welterfolg mit der „Tanz-Suite“ für Orchester.
Heirat mit seiner Studentin Ditta Pásztory. Aus der Ehe geht der Sohn Peter hervor.
Mit seiner Frau gibt er Konzerte mit Werken für Klavierduo.
1924 -1927
Veröffentlichung der wissenschaftlichen Abhandlung „Das ungarische Volkslied“. Die Kölner Uraufführung der Tanzpantomime „Der wunderbare Mandarin“ endet mit einem Skandal.
Das 3. Streichquartett entsteht, der Komponist befindet sich auf der Höhe seiner Meisterschaft.
1934
Veröffentlichung der wissenschaftlichen Abhandlung „Die Volksmusik der Magyaren und der benachbarten Völker“. Seine Arbeit wird von politischen Kreisen als unpatriotisch verurteilt, auch die Presse schürt den Fremdenhass und führt eine Hetzkampagne gegen ihn.
Bartók bittet um Entbindung von seiner Professur, um sich ganz der Forschung widmen zu können.
1937-1939
Im Auftrag des Dirigenten Paul Sacher entstehen drei Meisterwerke für das Basler Kammerorchester:
„Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ 1937,
„Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug“ 1938
und „Divertimento für Streichorchester“ 1939.
1940-1945
Emigration in die USA, er wird vorerst „Visiting Associate in Music“ an der Columbia University New York. Die Situation entwickelt sich für ihn jedoch nicht günstig, er hat kaum Konzertanfragen und sein Gesundheitszustand verschlechtert sich. Berühmte Kollegen setzen sich für ihn ein: Im Auftrag von Yehudi Menuhin schreibt er die „Sonate für Solovioline“ und auf Anregung des Dirigenten Sergej Kussewitzky entsteht das „Concerto für Orchester“. Er komponiert seine letzten Werke quasi im Krankenbett: das 3. Klavierkonzert als Vermächtnis für seine Frau und das „Concerto for Viola and Orchestra“ für William Primrose, das leider unvollendet blieb.
26. September 1945: Béla Bartók stirbt in New York an Leukämie.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs werden seine sterblichen Überreste nach Ungarn gebracht und am 7. Juli 1988 im Rahmen eines Staatsbegräbnisses in Budapest beigesetzt.
Die Werke von Béla Bartók stellen eine vollkommene, auf höchster musikalischer Höhe stattfindende Synthese der Volksmusik und Kunstmusik dar. Durch sein Genie wurde Volksmusik zu Kunst erhoben und lokale Dialekte in eine universelle Sprache umgestaltet, die keine nationale Grenzen kennt.
Quellennachweis:
LeMO - Biografie Béla Bartók von Irmgard Zündorf und Regina Haunhorst
„Béla Bartók“ von Everett Helm (Rowohlts Monographien)
„Apropos Musik“ von Hans Weigel Artemis Verlag Zürich und Stuttgart
Freunde und Zeitzeugen über Bartók
Yehudi Menuhin
Kein anderer zeitgenössischer Komponist hat mich so unwiderstehlich angezogen wie Bartók. Ich fühlte mich eins mit seinen unerbittlichen und komplexen Rhythmen, eins mit seinem abstrakten, doch ungeheuer ausdruckvollen Konstruktion der melodischen Linie, eins mit dem unglaublich reichen Spektrum seiner Harmonien und vor allem mit der Reinheit der Ausführung, immer ohne die geringste Spur von Sentimentalität, genauso scharf gemeißelt und durchdringend wie seine eigenen Züge und seine Augen.
Es gibt, glaube ich, keinen anderen Komponisten in unserem Jahrhundert, der es wie Bartók vermag, eine Reihe von Tönen auszuspinnen, so dass sie schweben und uns in einen zeitlosen Raum tragen - Melodie in wirklichen Sinnen des Wortes.
Paul Sacher
Wer Bartók begegnete, im Gedanken an die rhythmische Urkraft seine Werke, war von der schmalen, zarten Gestalt überrascht. Er hatte die äußere Erscheinung eines feinnervigen Gelehrten. Der von fanatischem Willen und unbarmherzigen Strenge besessene und von einem glühenden Herzen getriebene Mensch wirkte unnahbar und war von zurückhaltender Höflichkeit. Sein Wesen atmete Licht und Helligkeit.
Seine Augen leuchteten mit herrlichem Feuer. In den Strahlen seines forschenden Blickes hatte nichts Unwahres oder Unklares Bestand.
Thomas Mann
Wo immer ich Béla Bartók sah, mit ihm sprach, ihm lauschte, war ich aufs Tiefste berührt, nicht nur von seiner Liebenswürdigkeit, sondern von seinem hohen und reinen Künstlertum, dessen Wesen sich schon in dem schönen Blick seiner Augen ausdrückte.
Aus dem Buch Bartók von Everett Helm
Rohwolts Monographien
Hans Weigel
Und wenn Du mich fragst – und es ist dein Recht, mich das zu fragen -, welcher es denn ist, denn es muss ja einer sein – es darf ja viele Wege geben, und jeder mag seine Berechtigung haben, doch einer muss der sein, auf dem es weitergeht – so wie wir Haydn und Mozart und Beethoven und Schubert – wie ist es denn mit diesen dreien? - wer tut den nächsten Schritt? – wenn Du mich fragst: „Schönberg, Hindemith oder Strawinsky?“ dann antworte ich dir, ohne zu zögern: „Béla Bartók“. Er hat immer wie Bartók komponiert. Er hat kein neues System geschaffen und keine Schule gegründet; er hat komponiert, wie es ihm und seiner Zeit ums Herz war. Er war nie ein Klassizist, aber er wird vermutlich ein Klassiker sein. Er ging nicht von Wagner aus. Er kommt von Beethoven her. Er hat – und das allein ist eine säkulare Leistung – in einer einzigartigen Anstrengung die ungarische Volkmusik gesammelt und kodifiziert, die ungarische, wohlverstanden, die nichts mit der Kaffeehaus- und Operettenmusik der Zigeuner zu tun hat. In dieser ungarischen Sprache, einer neuen musikalischen Weltsprache, spricht auch seine Musik zu uns, bekennt sich bewusst und stolz zu ihrer Fremdsprachigkeit und nennt sich barbarisch. Sie ist hart und streng und ohne Konzessionen… sie experimentiert nicht, sie probiert nichts aus, sie ist einfach da. Es geht ihr nicht um besondere Klänge und besondere Formen, sie ist da und scheint auch da zu bleiben… Wenn wir Beethoven hier bei uns hätten und fähig wäre, Werke anderer Komponisten zu würdigen, dann würde er Schönberg ablehnen, über Strawinsky den Kopf schütteln (aber dabei vermutlich lächeln) und Hindemith nicht verstehen. Aber zu Béla Bartók würde ja sagen.
Hans Weigel
Apropos Musik
Artemis Verlag Zürich und Stuttgart
Zusammengestellt von Eva Ott
Lektoriert von Anna Rybinski
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