Kindheit und frühe Jahre
Seine Kindheit verbrachte Bartók im Königreich Ungarn
des österreichisch-ungarischen Reiches, welches durch
den Vertrag von Trianon nach dem Ersten Weltkrieg
aufgeteilt wurde. Schon sehr früh fiel Bartóks
außergewöhnliche musikalische Begabung, v. a. ein
absolutes Gehör, auf. Beide Elternteile waren
musikalisch, der Vater ein lokaler Musiker. Vor allem
jedoch die Mutter förderte Béla in musikalischer
Hinsicht von frühester Kindheit an. Schon in
allerjüngsten Jahren begann Bartók, wie auch Mozart oder
andere "Wunderkinder", mit kleinen Kompositionen. Leider
fiel ebenso früh auch Bélas Neigung zu allerlei
Krankheiten auf - was ihn auch ein Leben lang, bis zum
verfrühten Tod, begleiten sollte. Nach dem Tode seines
Vaters im Jahre 1888, zog Bartók zusammen mit seiner
Mutter und seiner Familie nach Vinogradiv, Prešporok
(Pressburg), Grosswardein und Bistritz und ließ sich
schließlich in Pressburg, dem heutigen Bratislava
nieder. Nach der Gründung der Tschechoslowakei im Jahre
1918, fanden sich Bartók und seine Mutter auf den
unterschiedlichen Seiten der Grenze wieder.
1907-1908 hatte Bartók eine
unglückliche Neigung zu der hübschen, anmutigen
Violinistin Stefi Geyer gefasst. Er widmete ihr sein
erstes Violinkonzert und schenkte ihr die Partitur. "Stefi
spielte das Konzert nie öffentlich. Vielleicht um die
Erinnerung an eine Jugendliebe zu bannen, verschloss sie
das Manuskript im Notenschrank, wo es beinahe ein halbes
Jahrhundert ruhte. Während dieser Zeit bekam niemand die
Partitur zu Gesicht, sie galt sogar zeitweise als
verschollen. Wenige Jahre vor ihrem Tod beschloss Stefi,
dass das Werk nach ihrem Tod aufgeführt werden solle,
und sie vertraute ihr Geheimnis Paul Sacher an. Stefi
starb 1956. Die Partitur wurde Paul Sacher überreicht,
und das wiederum brachte ein merkwürdiges
Zusammentreffen ans Licht: Das erwähnte "Stefi-Motiv"
Bartóks [D - Fis - A - Cis] war identisch mit einem
zentralen Motiv in Willy Burkhards 1943 vollendetem,
Stefi Geyer und Paul Sacher zugeeigneten Violinkonzert."
Frühes Schaffen
Später fing
er an, unter István Thoman Klavier und
unter János Koessler Komposition zu
studieren. An der königlichen
Musikakademie von Budapest lernte er um
1905
Zoltán Kodály kennen.
Kodály
brachte Bartók auf das systematische
Studium der nationalen Volksmusik.
Fortan arbeitete er nun mit Kodály
zusammen. Diese Tätigkeit hatte einen
ausschlaggebenden Einfluss auf Bartóks
künstlerischen Stil. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte er nämlich die
ungarische Volksmusik vor allem mit der
von "Zigeunern" in den Städten
vorgetragenen Musik in Verbindung
gebracht, so wie sie etwa von Franz
Liszt in den "Ungarischen Rhapsodien"
oder auch von Johannes Brahms in den
"Ungarischen Tänzen" verarbeitet wurde
und so diesen Werken internationale
Popularität verschafft hatte.
Bald
stellte sich jedoch heraus, dass es sich
hierbei eher um romantisch
nachempfundene, neu komponierte
Kunstlieder handelte. Bartók dagegen
suchte nach der originären Musik der
ländlichen Bevölkerung; Bartók selbst
sprach von "Bauernmusik". Schon im Jahre
1903 hatte Bartók ein ausführliches
Orchesterwerk mit dem Namen Kossuth
geschrieben. Dieses Werk fällt in die
Phase eines gesteigerten
Nationalbewusstseins Bartóks und ist
Lajos Kossuth, dem Helden der
ungarischen Revolution im Jahre 1848,
gewidmet. Hier ist noch auffällig der
populäre, romantische "ungarische Stil"
verarbeitet, der auch von Bartók damals
noch für "original ungarisch" gehalten
wurde.
Das
erwähnte "gesteigerte
Nationalbewusstsein" Bartóks muss hier
jedoch auch im Kontext der Zeit gesehen
werden. Große Teile der ungarischen
Bevölkerung waren der österreichischen
Fremdherrschaft schon lange überdrüssig.
Als widerlich empfand man auch die
"Deutsch-Mode" in wohlhabenden Familien,
wo es 'chic' war, Deutsch zu sprechen
(auch Bartók beklagt das in einem Brief)
und die übermäßige Orientierung des
Kulturbetriebes (u. a. in Budapest) auf
Österreich und Deutschland.
Bartók,
wie auch viele andere Künstler in ganz
Europa, war hinsichtlich der Musik auf
der Suche nach einem nationalen Stil.
Dieser sollte aus dem Alten, was es noch
zu entdecken galt, schöpfen und
gleichermaßen etwas Neues schaffen. An
bloßer "Ungar-Tümelei" war Bartók nicht
gelegen. Durch seine
musik-ethnologischen Forschungen ging
ihm bald auf, wie wenig doch regionale
Kulturen auf Nationalität zu beschränken
sind und in welcher gegenseitigen
Einflussnahme sie schon immer standen.
In einem späten Brief Bartóks etwa
heisst es: "Mein Ziel ist die
Verbrüderung der Völker. In diesen
Dienst stelle ich meine ganze
Kraft.(...)"
Einflüsse auf Bartóks Musik
Die Musik
von Richard Strauss, den er im Jahre
1902 bei der Uraufführung von Also
sprach Zarathustra in Budapest traf,
hatte einen ersten großen Einfluss auf
sein Schaffen hinsichtlich
Orchestermusik. Der romantische
Überschwang erschien ihm jedoch schon
bald als nicht mehr zeitgemäß. Ein bleibenderen Eindruck hinterließ die
Musik von Franz Liszt. Besonderen
Einfluss übte jedoch die Volksmusik aus.
Gerade ihre Schlichtheit und bisweilen
raue Direktheit faszinierten Bartók.
Daneben sah er in der Verwendung "alter"
Tonleitern (dorisch, mixolydisch,
äolisch etc.) und der primitiven
Pentatonik, wie sie originäre Volksmusik
fast überall aufweist, einen kreativen
Anschub in Richtung einer neuen, eigenen
harmonischen Sprache jenseits des so
etablierten Dur/ Moll-Systems. Neben der
Volksmusik wirkte auf das eigene
Schaffen z. B. die Musik der jüngeren
Franzosen wie etwa von Claude Debussy
einflussgebend. Impressionistische
Klangfarben kann man z. B. in Bartóks
"Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug
und Celesta" sowie in vielen kleineren
Klavierwerken hören. Volksmusik findet
sich explizit z. B. in der "Tanzsuite"
oder auch im 1. Streichquartett
verarbeitet. Von der Zwölftonmusik, also
der non-hierarchischen Behandlung aller
möglichen Töne des abendländischen
Musiksystems, hielt Bartók jedoch wenig.
Wenn er auch bisweilen in sogenannter
bitonaler oder bimodaler Weise
komponierte, so wollte er jedoch immer
tonale Zentren ausgemacht oder
auszumachen wissen.
Bartóks berufliche Entwicklung
Bartók war
ein ausgezeichneter Pianist und strebte
zunächst auch eine Karriere als solcher
an, doch schon 1907 bekam er von der
königlichen Akademie eine Anstellung als
Professor. Dies machte es ihm möglich,
in Ungarn zu bleiben, anstatt als
Pianist eine Tournee durch Europa
unternehmen zu müssen. In die Jahre
1907/08 fällt mit dem 1. Violinkonzert
die Komposition eines der wohl
persönlichsten Werke Bartóks. Er widmete
es seiner damaligen großen Liebe, der um
einiges jüngeren Geigerin Stefi Geyer.
Noch vor Beendigung des Werkes brach
Geyer jedoch den Kontakt zu Bartók ab,
bat aber um Zusendung des Werkes. Somit
beließ es auch der im Liebeskummer
getroffene Komponist bei den bis dahin
komponierten zwei Sätzen. Erst 1958
gelangte das "unfertige" Werk zur
Uraufführung.
1909
heiratete Bartók Márta Ziegler. Ihr Sohn
Béla junior wurde 1910 geboren. 1911
schrieb Bartók seine einzige Oper
“Herzog Blaubarts Burg”, die er seiner
Frau Márta widmete. Dieses Werk war sein
Beitrag zu einem Wettbewerb, der von der
ungarischen Kommission für schöne Künste
ausgeschrieben war, doch diese wies es
zurück, mit der Begründung, es sei
unspielbar. Diese "Begründung" spricht
für ausgesprochenen Konservatismus und
Angst vor "Neuem". "Neu" war wohl v.a.
die ungewohnte Dramaturgie: Der
vergleichsweise kurze Einakter
(Spielzeit etwa 60 min.)ist im Grunde
ein fortwährender Dialog nur zweier
Darsteller (Blaubart und Judith). Auch
fällt die, für Verhältnisse der Oper,
schlichte Art zu singen auf: Sie ist
bisweilen liedhaft und die Eigenheiten
der ungarischen Prosodie sind auffällig
gestaltet, d.h. der Gesang ist sehr
rhythmisch. Bis 1918 war die Oper kein
einziges Mal aufgeführt worden, als die
Regierung Bartók unter Druck setzte, den
Namen des Librettisten Béla Balázs aus
politischen Beweggründen aus dem
Programm zu entfernen. Bartók weigerte
sich und ließ die Uraufführung ins
Wasser fallen. Den Rest seines Lebens
stand Bartók der ungarischen Regierung
kritisch gegenüber.
Aus
seiner Enttäuschung über die Kommission
für schöne Künste schrieb er in den
nächsten zwei oder drei Jahren weniger
und konzentrierte sich verstärkt auf
sein Bestreben, eine große Sammlung
ungarischer Volkslieder aufzubauen. Als
Resultat veröffentlichte er 1922/23 "Das
Ungarische Volkslied" ("A magyar népdal",
auch auf deutsch und englisch). Hierbei
handelt es sich weniger um einen bloßen
Sammelband ungarischer Volksmelodien und
-texte, als vielmehr um einen streng
wissenschaftlich orientierten Versuch
einer Systematisierung der Melodien nach
Typen und Alter. Der Ausbruch des Ersten
Weltkrieges zwang ihn jedoch, weitere
Expeditionen auf der Suche nach
Volksliedern einzustellen. Er widmete
sich wieder vermehrt dem Komponieren.
Aus dieser Phase seines künstlerischen
Schaffens ging das Ballett “Der
Holzgeschnitzte Prinz” (1914-1916) und
sein zweites Streichquartett (1915-1917)
hervor. Durch seinen “hölzernen Prinzen”
kam Bartók zu Weltruhm.
Anschließend arbeitete Bartók an einem
weiteren Ballett, "Der wunderbare
Mandarin", das Parallelen zu Igor
Stravinsky aufweist. Obwohl Bartók die
Arbeit am “Wunderbaren Mandarin” schon
im Jahre 1918 begann, wurde das Ballett
bis 1926 auf Grund seines Inhalts, der
von Prostitution, Räuberei und Totschlag
handelte, nicht aufgeführt. Auch im Jahr
1926 ließ der damalige Kölner
Bürgermeister Konrad Adenauer, äußerem
Druck folgend, aufgrund des Sujets
weitere Aufführungen in Köln verbieten.
Bartók
ließ sich 1923 von Márta scheiden und
heiratete eine Klavierstudentin namens
Ditta Pásztory. Bartóks zweiter Sohn
Péter wurde 1924 geboren. Für Péters
Musikunterricht komponierte Bartók eine
sechsbändige, nach Schwierigkeitsgraden
abgestufte Sammlung von Klavierwerken,
die unter dem Namen "Mikrokosmos" noch
heute von Klavierschülern benutzt wird.
Es sollte das letzte Werk sein, das er
in Europa schrieb.
Der Zweite Weltkrieg und
Bartóks spätere berufliche Laufbahn
Aufgrund des
Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges und
der sich sukzessive verschlechternden
politischen Lage in Europa, war Bartók
im Jahre 1940 dazu geneigt, Ungarn zu
verlassen. Bartók verurteilte den
Nationalsozialismus aufs Schärfste.
Nachdem die Nazis in Deutschland die
Macht übernommen hatten, weigerte er
sich, weiterhin in Deutschland
aufzutreten und wandte sich von seinem
in Deutschland ansässigen Verleger ab.
Außerdem untersagte er deutschen und
italienischen Rundfunksendern 1937,
seine Werke weiterhin zu senden. Seine
liberalen Ansichten brachten ihn in
große Schwierigkeiten mit
rechtsradikalen Ungarn.
Nachdem er
seine Manuskripte in die USA geschickt
hatte, zog er, zusammen mit seiner Frau,
nolens volens in die USA. Péter folgte
ihnen zwei Jahre später. Béla Bartók jr.
hingegen blieb in Ungarn.
Bartók
fühlte sich in den USA nicht wohl und
empfand es als schwierig, weiterhin zu
schreiben. Auch kannte man ihn in den
USA kaum, und es bestand nur geringes
Interesse an seinen Werken. Bartók und
seine Frau gaben Klavierunterricht, auch
Konzerte und waren zeitweilig mit einer
Forschungsarbeit über serbische
Volkslieder beschäftigt; dennoch war
ihre finanzielle Lage, ebenso wie
Bartóks Gesundheit, in einem
bedenklichen Zustand.
Eines
seiner letzten Werke war eine
Auftragsarbeit für Sergei Kussewizki.
Das "Konzert für Orchester" wurde das
wohl bekannteste Werk Bartóks. Yehudi
Menuhin beauftragte ihn, eine
Violinsonate zu komponieren. Er fand
wieder Kraft zum Komponieren und begann
mit seinem kühlen und fast
neo-klassizistischen dritten
Klavierkonzert, beinahe fast zeitgleich
mit seinem Bratschenkonzert.
Im Jahre
1945 starb Béla Bartók in New York City
an Leukämie. Sein Bratschenkonzert blieb
unvollendet und wurde später von seinem
Schüler Tibor Serly vervollständigt.
Sein 2. Klavierkonzert, bereits 1933
vollendet, wurde 1947 von Andor Foldes
in New York uraufgeführt.
Er wurde
auf dem Ferncliff-Friedhof in Hartsdale
(New York) beerdigt, aber nach dem Sturz
der politischen Verhältnisse in Ungarn
1988 wurden seine Überreste nach
Budapest transferiert und am 7. Juli
1988 bei einem Staatsbegräbnis auf dem
Farkasréti Friedhof beigesetzt.
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